Auf dem Weg zum Hörsaal eilen wir durch lange Flure an unzähligen Bürotüren vorbei. Einheitlich graue Raumschilder, ebenso grau gestrichene Türen. Habt ihr euch je gefragt, was sich dahinter verbirgt?

Ich will euch eine dieser unscheinbaren Türen, die zu meinem Büro, das gleichzeitig der Technikraum des Instituts für Philosophie ist, öffnen. Wie das Fräulein auf der Burg kann ich mich hier zum Arbeiten zurückziehen. An meinen Wänden hängen Plakate vergangener Fachschaftspartys. Auf meinem Whiteboard haben sich meine Freunde mit süßen Tierbildern verewigt. Ich fühle mich mit Hibiskustee und meiner in die Ecke geworfene Tasche fast wie zuhause. Dabei erinnert hier wenig an eine gemütliche Wohnung. An schlechten Tagen sieht es hier mehr nach Weddinger Hinterhof aus. In der Ecke am Fenster stehen einige PC-Tower verschiedener Baujahre. Die Monitore sind daneben aufgereiht und zeigen in verschiedene Ecken des Büros. In den Regalen liegen alle erdenklichen Hardware-Teilchen; auf dem Boden warten ein paar ausgeschlachtete PC-Hüllen darauf, zu neuen Hybriden zusammengeschraubt zu werden. Gemütlich ist es nicht. Das sagen zumindest meine Kommiliton*innen, wenn ich sie zum Tee hierher einlade. Sie wollen dann lieber in das schicke neue Café im Erdgeschoss. Den Charme des IT-Büros verkennen sie.

Wer viel Zeit an seinem Arbeitsplatz verbringt, nimmt dabei auch Privates mit an den Schreibtisch. Das gilt besonders, wenn man das Büro für sich alleine hat. Ich bin schon vor Freude jauchzend durch das Zimmer gesprungen, habe mich über unfaire Professor*innen geärgert oder vor Liebeskummer geweint. Manchmal rolle ich lässig mit meinen Bürostuhl vor und zurück, während im Hintergrund deutscher Rap läuft – selbstverständlich alles bei Zimmerlautstärke! Denn was hinter den grauen Bürotüren passiert, muss auch dahinter bleiben. An langen Tagen horte ich hier sogar meine Reste vom Mensaessen, um sie später in der Mikrowelle aufzuwärmen. Nachdem ich an der Essensausgabe klirrenden Geschirrwägen und spitzen Tabletts ausweichen musste und beim Essen vom Nachbartisch mit zu vielen intimen Details beschallt wurde, ziehe ich mich zum Verschnaufen gerne in den IT-Raum zurück. Ich verbringe hier viel Zeit. Und ja, ich bin manchmal auch samstags hier, gelegentlich auch bis nach 22 Uhr. Übernachtet habe ich hier aber noch nie. Aber wer weiß, welche Pyjamapartys im Büro nebenan geschmissen werden?

 

Einen Blick in ein fremdes Büros zu werfen, finde ich jedes Mal aufregend. Das Büro verrät viel über einen Menschen und seine Arbeitsweise. Die meisten verbringen schließlich die Hälfte ihres wachen Tages am Schreibtisch. Da hinterlässt man zwischen Monitor und Tastatur unweigerlich ein Stück Persönlichkeit. Ob eine lustige Grußkarte, ein FC Bayern München-Schal oder ein Foto vom eigenen Hund. Auch schon kleine Habseligkeiten sagen einiges über denjenigen aus, der an diesem Schreibtisch arbeitet. Kennt ihr nicht auch diesen einen Prof, dessen Büro aussieht wie ein nobler Salon mit chinesischen Teppichen und  Diwan? Andere Dozierende haben wiederum nur sehr steril eingerichtete Büros. Noch spannender finde ich den einzelnen Umgang mit Machtsymbolen. Je höher die Position, desto länger meist der Schreibtisch und größer der Monitor. Ein Blick in fremde Büros, eröffnet nicht nur etwas über den Charakter der Bürobewohner oder deren berufliche Stellung, sondern besonders, wie sich diese vor Gästen präsentieren wollen.

Neben meinem Bildschirm stehen ein vertrockneter Ficus und eine Rentierfigur, die mir eine Apothekerin vorletzte Weihnachten geschenkt hat. So viel sei zu meinem Status gesagt. Aber Gäste kommen in mein abgelegenes Büro sowieso selten und die Bürotüren sehen ja doch bei allen gleich aus. An der HU arbeiten übrigens etwa 6000 Mitarbeiter. Es gibt also noch viele graue Zimmertüren zu entdecken!