„Nabelschau oder: warum wir nicht farbig und kostenlos sind.“
So begann im Mai 1992 das Editorial der UnAuf Nummer 37. „Einer unserer Handverkäufer, nennen wir ihn Hubert, berichtet Betrübliches“, heißt es weiter. Denn Handverkäufer Huberts Erfahrung mit den wenig kaufwütigen Studierenden zeigte der Redaktion, dass es durchaus Bedarf gab nach einem kostenlosen, farbigen Blatt.
Was die Redaktion vor 25 Jahren ein weit entfernter Traum war, ist heute längst Realität: Die UnAuf ist bunt, sie ist gratis und dennoch nicht zu einem reinen Werbeblatt oder zu einem Millionengrab geworden, wie 1992 befürchtet. So ändern sich die Zeiten und die Seiten gleichermaßen. Doch wie sah der Alltag der Studierenden vor 25 Jahren aus? Welche Themen beschäftigten die Universität und damit auch die UnAuf? Was war damals anders – und was ist heute noch genauso?
Wir laden euch ein, einen Blick mit uns in die Vergangenheit zu wagen: In ein spannendes Jahr kurz nach der Wiedervereinigung, voller zwistreicher Hochschulpolitik und DDR-Vergangenheit, aufblühender junger Kultur und unkonventionellem Leben. Und wer könnte darüber besser berichten als unsere Redaktion von damals? Denn wie anders die Zeiten waren, lassen auch unsere Zeilen erkennen: Es herrschte durchaus ein rauer, doch hoffnungsvoller, ironischer, wenn auch manchmal bissiger Ton – bisweilen anders als der heutige, doch dem Jahr nicht weniger angemessen.
Viel Spaß bei unserer Zeitreise ins Jahr 1992 wünscht eure Redaktion!

Nabelschau oder: warum wir nicht farbig und kostenlos sind

Einer unserer Handverkäufer, nennen wir ihn Hubert, berichtete Betrübliches: er in der Mensa Nord mit der neuesten UnAuf optimistisch auf Käufer wartend, die dann eher schlecht als recht zu ihm eilen. Gegenüber bunt, unübersehbar im auffälligen Ständer und vor allem kostenlos: die neueste Uniplebs. Und an diesem Ständer vollzog sich dann der Ansturm des Leserinteresses, auf das Hubert so sehr wartete. Frust – nicht nur bei Hubert, sondern auch bei uns! Glücklicherweise für das Überleben der UnAuf ist diese Szene – noch? – die Ausnahme. Dennoch entfachte dieser Bericht in der Redaktion erneut die Diskussion darüber, ob der Verkauf die richtige Strategie für ein Studentenblatt ist, oder ob das kostenlose Ausliegen nicht die gemäßere Form wäre. Spielen wir die letztere  Variante einmal unverbindlich durch:

Kostenlose Ausgaben bedeuten erstens: völlige Finanzierung durch Werbung. Das hieße für UnAuf, den Textteil zugunsten der Anzeigen zu reduzieren. Sieht man sich unsere farbige Konkurrenz an, etwa 50 zu 50, also 8 Seiten alle möglichen Formen des Anpreisens von Waren und Dienstleistungen, bis hin zum Preisausschreiben und PR-vorgefertigte Kritiken.

Zweitens wäre der kostenlose Vertrieb nur realisierbar mit so großer Auflage, wie wir sie an der HUB nie erreichen würden: ca. 10.000 Stück, da dann die Druckkosten pro Exemplar sinken würden. Wir haben zur Zeit nur einen Bruchteil dieser Auflage. Sicher könnten wir da noch einiges ‘rausholen, wenn wir mehr Handverkäufer hätten. Aber von 10.000 verkauften Stück wagen nicht einmal unsere leitenden Redakteure als von ­Natur aus sehr optimistische Leute zu träumen. Also größeren Interessentenkreis schaffen, z.B. alle Berliner Unis oder Kitas oder Kaufhäuser… Und bloß nicht irgendwo anecken! Es allen oder wenigstens den meisten recht machen!

Wir finanzieren uns zur Zeit aus drei Quellen: Unterstützung vom StuRa, Werbung, Verkauf. Der Druck und die Bindung eines Unaufexemplares kosten ca. 1 DM. Die UnAuf kostet seit Beginn ihrer Existenz trotz Inflation nur 50 Pfennig, d.h. wir decken über den Verkaufspreis (abzüglich Provisionen für den Handverkauf) nur 25% der Selbstkosten.
Und trotzdem, als uns das alles klar wurde, war die Entscheidung gar nicht mehr schwer. Wir werden auf absehbare Zeit und mit der jetzigen Redaktion weiter für 50 Pfennig bei den Handverkäufern, an ausgewählten Kiosken und in der Redaktion zu haben sein.

ojoff im Namen der Redaktion

UnAuf Nr. 37 vom 20. Mai 1992