Fotos: Marco Locatelli                            (für mehr Bilder auf das Beitragsbild klicken!)

Im April konnte das Medizinhistorische Museum dank der ARD-Serie Charité einen Besucherzuwachs von circa 90 Prozent verzeichnen. Diese Information teilt Prof. Dr. Thomas Schnalke, Direktor des Museums, nicht ohne Stolz mit, während er uns durch die Lagerräume und Archive führt. Schnalke nimmt sich knapp eine Stunde Zeit, um uns jene Stücke zu zeigen, die den Besucher*innen momentan nicht zugänglich sind. Rund 14.000 Objekte sind im Besitz des Museums, aber nur zehn Prozent davon werden ausgestellt. Die meisten für die Öffentlichkeit unzugänglichen Stücke, etwa 10.000, sind Präparate, bei dem Rest handelt es sich um Modelle, Texte und Instrumente.

Diese Zusammensetzung erklärt sich durch die Wurzeln des 1899 von Rudolf Virchow gegründeten Museums, das damals noch „Pathologisches Museum“ hieß und sich dieser Fachrichtung widmete. Die  medizinischen Präparate befinden sich im Keller, wo uns im Halbdunkel zuerst die gläsernen Behälter auffallen, die hier in langen Regalreihen lagern. Nachdem Schnalke das Licht eingeschaltet hat, stehen wir vor einer eindrucksvollen Anzahl eingelegter Körper- und Gewebeteile, die in einem Substanzgemisch auf Formol- und Aceton-Basis schwimmen. Hier herrscht strikte Ordnung, in einem Regal stehen Mägen, in einem anderen Lungen. Schnalke erlaubt uns, zu fotografieren, nur von Aufnahmen missgebildeter Föten bittet er uns abzusehen, und erklärt, dass es in der Vergangenheit immer wieder obskure Zeitschriftenartikel und ominöse Interneteinträge gegeben habe, die mit solchen Fotos geschmückt wurden. Deshalb sei die Entscheidung gefallen, solche Abbildungen nicht zu gestatten.

So eindrucksvoll der Keller beim ersten Betreten auch ist, so schnell wird klar, dass er keinen geeigneten Lagerraum für die wertvollen Präparate darstellt. Schnalke selbst weist uns ohne Beschönigung darauf hin, dass es feuchte Stellen gibt und viele der Glasbehältnisse einer Restauration bedürfen. Vor allem auf die Versiegelung komme es an, sie bestimme über die Haltbarkeit des Inhalts. Gerne würde das Museum diese wertvolle Sammlung größtenteils aus dem 20. Jahrhundert stammender Konservierungsstücke mehr in Forschung und Lehre einbinden, um vor allem Nachwuchsmediziner*innen den Zugang zu erleichtern. Woran es hierfür fehlt sind Raum, Geld und Personal. Auch ein Objektlabor im Gerlachbau am Campus Nord zählt zu den in Zukunft geplanten Projekten, die aufgrund einer fehlenden Lobby zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar sind. Im fünften Stock befinden sich neben der Verwaltung drei weitere kleinere Lagerräume. Die Nähe zur Verwaltung dient dazu, eine größere Sicherheit zu gewährleisten. Auf Nachfrage erzählt Schnalke uns, dass es bereits einen Diebstahl gegeben hat. Eine Taschenuhr wurde aus einer laufenden Ausstellung entwendet, bei der es sich zudem um eine Leihgabe aus der Schweiz gehandelt hat. Aufgetaucht ist sie nie wieder.

In einem der Lagerräume im fünften Stock befindet sich eine kleine Präsenzbibliothek, die hauptsächlich von den Mitarbeiter*innen des Museums, aber auch von Doktorand*innen der Charité genutzt wird. In einem angrenzenden Raum lagern Instrumente und bebilderte Kartons, deren Inhalt so von außen ersichtlich ist. Schnalke zeigt uns dennoch den Inhalt einiger Kisten und öffnet auch eine Schublade, in der Zähne lagern, die gerade zur Forschung genutzt werden. Auf einem Schrank reihen sich Schädel aneinander. Im letzten der drei Lagerräume stehen Sektionsprotokolle aus dem 19. Jahrhundert, denen man ihr Alter durchaus ansieht. In den Protokollen haben Ärzte die von ihnen durchgeführten Obduktionen festgehalten. Der Zerfall der wertvollen Folianten schreitet hier immer weiter voran, doch für eine umfassende Restauration und Digitalisierung aller Bände fehlen die Mittel. Bloß zwei Exemplare konnten bisher neu gebunden werden, da sich die Kosten pro Stück auf rund 10.000 Euro belaufen.

Wer mehr über das Medizinhistorische Museum wissen möchte, kann auf den im Museum erhältlichen Bildband mittendrin zurückgreifen oder die Ausstellung selbst besuchen.

Öffnungszeiten:
Di-So 10-17 Uhr
Mi+Sa 10-19 Uhr
Montags geschlossen