Für viele Menschen ist Weihnachten das schönste Fest des Jahres. Traditionen wie Weihnachtsbäume, Weihnachtslieder, Gottesdienstbesuch und das Beschenken haben sich, zumindest im europäischen Raum, etabliert. Allerdings feiern alle auf unterschiedliche Weise: Für meinen Kommilitonen Ján zum Beispiel hat Weihnachten eher eine kommerzielle Bedeutung. Mit seinen japanischen, slowakischen und deutschen Wurzeln ist ihm unsere Art des Feierns eher fremd. Zwar sitzt auch seine Familie an Heiligabend ein paar Stunden zusammen und tauscht Geschenke aus, aber so richtig ausgeprägt waren die Feierlichkeiten nie, erzählt er. Ján war auch noch nie in einer Kirche. Ganz im Gegensatz dazu stehen wohl die Festtage meiner Familie. Mein Vater, Thomas Köhler, arbeitet seit 21 Jahren als Pfarrer der evangelischen Kirche. Ich bat ihn, mir für die UnAufgefordert ein paar Fragen zu beantworten:

Ein großer Teil der Deutschen geht ausschließlich an Heiligabend in die Kirche. Scheint das zu einem klassischen Ablauf an Weihnachten zu gehören oder geht es den Meisten um den Glauben an die Geburt Jesu?
Ich finde zwar schade, dass es so ist, aber nicht schlimm. Mir ist es wichtig, dass die Menschen sich in der Kirche wohl fühlen. Wenn es an Heiligabend für sie dazugehört von der Weihnachtsgeschichte zu hören, dann freue ich mich darüber. Das scheint mir schon mehr als nur ein Ablauf zu sein. Ich denke, ihnen geht es um Trost und den Glauben, wenn sie an Weihnachten in die Kirche gehen.

Ist es wichtig, dieses Fest mit der eigenen Herkunft zu verbinden, vielleicht sogar eher als mit der Kirche?
Das Weihnachtsfest ist vielmehr eine Frage der Kultur als eine Frage der Kirche. Wir sollten wissen, warum wir Feste wie Weihnachten feiern. Wie wichtig das ist, merkt man gerade jetzt. Geflüchtete, die zu uns kommen, bringen ihre Kultur mit und erzählen uns davon. Es ist wichtig, dass auch wir über unsere Kultur und unsere Feste Bescheid wissen, davon erzählen und erklären können, warum wir Weihnachten so feiern, wie wir es feiern.

Ein Pfarrer ist an Weihnachten viel unterwegs. Was für Aufgaben hast Du an diesem Tag?
Viele Pfarrer haben mehrere Gottesdienste zu halten. Sie gehen zum Beispiel ins Seniorenheim oder kümmern sich um das Krippenspiel. Weiterhin gibt es Familien-Christvespern und Nachtgottesdienste. Die Gottesdienste sind alle unterschiedlich in ihrer Gestaltung. Dafür muss vieles geplant und abgesprochen sowie Predigten vorbereitet werden.
Bei mir ist es so, dass am Vormittag sowohl berufliche, als auch familiäre Vorbereitungen getroffen werden. Von 14 Uhr bis ungefähr 19.30 Uhr sind dann die Christvespern. Anschließend essen wir Zuhause gemeinsam Abendbrot. Wenn wir es schaffen, gibt es vor dem Nachtgottesdienst die Bescherung – ansonsten danach.

Das klingt nach viel Stress. Bist Du froh, wenn Heiligabend endlich vorbei ist oder kannst du den Tag auch genießen?
Ein bisschen von beidem. Ich genieße diesen schönen Tag total und bin glücklich, dass ich Menschen eine Freude machen kann. Andererseits ist es natürlich auch anstrengend. Wenn der Tag dann vorbei ist, bin ich auch froh.

Welche Bedeutung hat Weihnachten für Dich?
An Weihnachten wird die Geburt Jesus Christus, Gottes Sohn, gefeiert. Er ist Mensch geworden. Es ist für mich aber vor allem ein Fest der Freude, das man mit Freunden und Familie verbringt. An Heiligabend wird einem die Grundaussage der Weihnachtsgeschichte „Fürchtet Euch nicht. Euch ist heute der Retter der Welt geboren“ deutlich, und ich finde es wunderbar, diesen Trost weiterzugeben. Besonders liebe ich die Weihnachtslieder, die von dieser frohen Botschaft singen.

Viele denken, dass ich als Pfarrerstochter auf ominöse, geheimnisvolle Weise meinen Heiligabend verbringe. Dabei sind wir vermutlich wie jede andere christliche Familie auch. Während mein Vater arbeiten muss, packen wir die letzten Geschenke ein, kochen und dekorieren, bevor wir abends in den Gottesdienst gehen. Genug Familienzeit haben wir trotz allem. Auch für mich persönlich gehört Kirche einfach dazu und darüber bin ich froh.

Juliane Köhler