Illustration: Franziska Schneider

 

Die Euphorie ist verflogen, das Aufstehen eine Qual und die Uni nur noch eine Pflicht: Mitten im Studium vergeht vielen Studierenden die Lust. Woher kommen diese Zweifel, die irgendwann zur Frage führen: Lohnt sich das überhaupt noch?

 

Für Anna hat vergangenen Herbst das vierte Semester begonnen. Die Studiengebühren sind bezahlt, das Semesterticket im Portemonnaie verstaut und ein Stundenplan erstellt. Anna nennt ihn ihren „Alibi-Stundenplan“. Darauf gelistet sind vier Veranstaltungen. Sie geht zu keiner.

 

Anna ist 21 Jahre alt, sie studiert Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin (FU). Sie hat sich immer schon für Kunst interessiert, in ihrem Umfeld studieren alle. Warum also nicht selbst studieren und warum nicht einfach Kunst?

 

Drei Semester lang schleppte sie sich durch die Pflichtveranstaltungen. Sie sammelte Punkt um Punkt, bis sie am Ende mit 82 Studienpunkten und dem Gefühl dastand, keinen Bock mehr zu haben.

 

Am Anfang machte ihr das Studium noch Spaß. Sie lernte neue Leute kennen, Vorlesungen und Seminare waren interessant. Aber mit der Zeit schlichen sich Fragen ein: Was soll man machen, mit einem Bachelor of Arts? Und sowieso – hätte sie nicht viel lieber eine Ausbildung gemacht? Es fiel Anna immer schwerer, zuzuhören, in die Uni zu fahren, zu lernen. Sie konnte sich nicht mehr motivieren.

 

Anna ist nicht die Einzige, der es so geht. Im Rahmen einer 2010 vom Hochschulinformationssystem (HIS) veröffentlichten Studie wurden 2500 Studienabbrecher befragt. Knapp zwei Drittel gaben mangelnde Motivation als einen Grund für ihren Abbruch an. Für 18 Prozent war es sogar der ausschlaggebende Grund.

 

Ein Grund für die mangelnde Motivation sei das nachlassende Fachinteresse – ein Phänomen, das auch die psychologische Psychotherapeutin des Berliner Studentenwerks, Birgit Rominger, bestätigen kann. „Bei vielen Studierenden verfliegt die anfängliche Euphorie nach den ersten Semestern“, sagt Rominger. Das Interesse lasse nach und es falle immer schwerer, sich selbst zu motivieren.

 

Eine weitere Ursache ist laut HIS die mangelnde motivierende Betreuung durch Lehrende. So erging es auch Anna. Sie hatte das Gefühl, dass sich niemand dafür interessiere, ob sie zu den Seminaren erschien oder nicht. „Warum soll ich um acht zur Uni fahren? Es fällt keinem auf – und ich langweile mich nur zu Tode“, sagt sie.

 

Für die Uni lernen ist kein Lernen, wie man es aus der Schule kennt. Es ist ein „Marathon-Lernen“, sagt Birgit Rominger. Drei Jahre Studium verlangen viel Ausdauer. Und wie beim Marathon kann man auch im Studium zu einem Punkt kommen, an dem man denkt: Ich kann nicht mehr. Ich will einfach nicht mehr. Wieso tue ich mir das überhaupt an?

 

Beraterin Rominger erlebt oft, dass Studierende in der Mitte ihres Studiums innehalten und sich fragen: Was habe ich bisher erreicht, wie liege ich im Wettlauf? Nicht alle führt das in eine Motivationskrise. Viele schöpfen gerade daraus neue Kraft. Sie haben einen festen Bekanntenkreis und haben die Unibürokratie durchschaut. Sie wissen, wie die Prüfungen ablaufen. Das Auslandssemester ist geplant, der Abschluss liegt in greifbarer Nähe.

 

So geht es Jakob. Wie Anna studiert er Kunstwissenschaften an der FU, mittlerweile im dritten Semester. Jakob geht zu seinen Veranstaltungen und danach mit Freunden in die Mensa. Abends erledigt er Hausaufgaben, macht Sport, lernt Spanisch für einen Aufenthalt in Barcelona. Jakob hat seinen „Workflow“, wie es Birgit Rominger ausdrückt, gefunden. Für ihn fühlt es sich natürlich an, morgens aufzustehen und in die Uni zu fahren. Und auf die Frage, warum er Kunstwissenschaften studiere, zuckt Jakob nur die Schultern und lacht. Es ist für ihn selbstverständlich geworden.

 

Anna hat diesen „Workflow“ verloren. Das sei normal, sagt Birgit Rominger, und habe ganz verschiedene Ursachen. Aber entscheiden müssten sich alle: Ziehe ich es durch?

 

Anna hat sich entschieden: Anderthalb Jahre Studium haben ihr gereicht, noch einmal anderthalb Jahre will sie nicht.