Vor knapp zwei Wochen hat ein Professor der Uni Konstanz sich in der FAZ darüber ausgelassen, wie wenig er von seinen Studierenden hält. Zeit Online hat den Artikel aufgegriffen und Herrn Meyer beruhigt, er brauche sich keine Sorgen machen, die Uni gehe schon nicht unter. Danach wurden Leser gebeten, ihre Vorschläge einzusenden, wie etwas mehr Sachlichkeit in die Debatte einziehen könnte. Unser Autor hat sich Gedanken dazu gemacht, die gekürzt heute auf Zeit Online erscheinen. Bei der UnAuf lest ihr die komplette Version.

Liebe Professoren, wir müssen reden. Ich weiß, es ist nicht immer leicht mit uns. Wir wollen die Deadlines unserer Hausarbeiten verlängern, wir schwänzen Ihre Seminare, um in der Sonne zu sitzen, und wenn Sie uns mal eine Frage in einer Vorlesung stellen, blicken Sie in fragende Gesichter. Sie sagen, wir seien nur von Karriereplänen angetrieben und interessierten uns nicht mehr für Wissenschaft. Und manchmal glauben Sie sogar, wir würden in Ihr Büro einbrechen, um an Klausuraufgaben zu kommen. Unerhört! Aber immer nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen bringt ja auch nichts – deswegen möchte ich Ihnen die Hand reichen und zurufen: Vertrauen Sie uns einfach.

Wie bitte? Uns Schlendrianen und Faulenzern sollen Sie vertrauen? Ja. Weil sonst genau das auf dem Spiel steht, wofür die Universität und Ihre Ideale stehen: die Freiheit. Die Universität ist nicht einfach nur ein Ort, wo Wissen verkauft wird – das haben wir mit dem Ende der Schulzeit hinter uns gelassen. Das Versprechen der Universität ist: Hier behandeln wir dich auf Augenhöhe. Meine Professorin mag mehr gelesen und geforscht haben als ich, aber sie kommt im Seminar auf mich zu und fragt: Was halten Sie davon? Sie geben uns die Möglichkeit, zu wachsen, unsere eigenen Ideen zu entwickeln – aber dann müssen Sie uns auch die Freiheit lassen, das zu tun.

Wenn das Vertrauen verschwindet, stirbt die Idee der Uni

Ich habe ein Jahr in Frankreich gelebt und studiert. Dort habe ich gesehen, was passiert, wenn dieses Vertrauen, diese Augenhöhe, nicht mehr da ist. Ich saß in Veranstaltungen, die nicht enden wollten, in der niemand eine Frage stellen durfte und Widerrede nicht geduldet wurde. Als ich einmal nach einem Termin eine Viertelstunde zu spät zum Seminar kam, wollte die Dozentin mich nicht mehr hereinlassen – wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dabei hätte ich nach meinem Termin auch nach Hause gehen können, aber ich bin eben gekommen, weil ich etwas lernen wollte. Denn deshalb bin ich ja an der Universität: Weil ich etwas lernen will, weil ich noch nicht genug habe, weil ich hinter das Altbekannte sehen möchte. In Frankreich endet die Schule nicht nach dem Abitur, da heißt es „Ja, Herr Professor“ und die Studierenden werden geduzt. Da werde ich rausgeworfen, wenn ich einen Termin habe, der sich nicht verlegen lässt. Weil die Dozenten glauben, sie würden verarscht, wenn sie uns die Freiheit ließen, für uns selbst zu entscheiden. Das passiert, wenn es kein Vertrauen zwischen Studierenden und Lehrenden gibt.

Kennen Sie die Angst, keinen Masterplatz zu bekommen?

Und verarscht werden Sie auch, sicherlich. Aber Fehler zu machen, das gehört nun mal zur Freiheit dazu. Studieren, das heißt vor allem, zu lernen, eigenverantwortlich zu arbeiten. Neben dem Studium müssen wir noch pünktlich zur Arbeit erscheinen, uns mit unserem nervigen Mitbewohner rumschlagen, der verdammtnochmal wieder nicht das Bad geputzt hat. Wir müssen unsere Freunde trösten, die den begehrten Praktikumsplatz nicht bekommen haben und dabei unsere Zukunftspläne immer im Blick haben, damit wir nicht zu lange zögern, wenn Mama uns mal wieder fragt, was wir denn so vor haben mit unserem Leben. Sie, liebe Professoren, haben es weit gebracht. Sie haben hart gearbeitet, Sie forschen an Dingen, die sie faszinieren und drehen das große Rad der Wissenschaft. Da mögen unsere Probleme mit der Deadline der Hausarbeit manchmal klein und billig erscheinen. Sie wissen, dass Sie morgen genau da sitzen werden, wo Sie gestern saßen – Sie kennen die Angst nicht, keinen Masterplatz zu bekommen. Sie haben Ihr Leben auf die Reihe gekriegt, und wir werden das auch schaffen, ganz bestimmt. Aber Sie müssen uns vertrauen, dass wir das hinkriegen. Sonst verlieren wir uns unterwegs. Und das wäre wirklich schade.